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Viele Firmen im B2B Geschäft, die über Handelspartner vertreiben, scheuen oft vor Onlinehandel zurück, weil sie Preisinkonsistenzen vermeiden wollen oder den Kontrollverlust fürchten. Tatsächlich ist ein eigener Online-Kanal nur ein weiterer Vertriebskanal, der, wie alle anderen auch, punkto Preisgestaltung in ein Kanalkonzept eingebunden werden sollte.

Abhängig von der Kundenstruktur ergeben sich natürlich für B2B und B2C andere Anforderungen. Unbestritten ist jedoch, dass das digitale Zeitalter alle Prozesse beschleunigen und die Vielfalt und Komplexität der Angebote im online Bereich weiter steigern wird. Diesen Anforderungen kann man heute ohne digitales Preismanagement nicht mehr gerecht werden. Eine Website ohne Link zur Kaufmöglichkeit ist auch im B2B immer seltener anzutreffen, Preise daher immer und überall verfügbar.

Obwohl die Digitalisierung auch neue Möglichkeiten im Preiskonzept eröffnet (z.B. nutzungsabhängige Preismodelle), sind die Aufgaben im Online und Offline Modell sehr ähnlich, werden nur effizienter und schneller durchgeführt.

Was sind die Eigenschaften (digitaler) Preissysteme

Preissysteme bestehen aus mehreren Komponenten, die miteinander hochgradig vernetzt sind und bereits eine entscheidende Aussage über die Positionierung der Firma zulassen. Zu den Erwartungen gehört es heute, dass für jedes Angebot im Internet auch ein für mich gültiger Preis zur Verfügung steht. Damit diese Erwartung erfüllt werden kann, braucht es insbesondere folgende Elemente:

  1. Preissubjekt
  2. Preisposition
  3. Preisdifferenzierung
  4. Preiskommunikation
  5. Preisorganisation

Preissubjekt

Meist handelt es sich hier um ein physisches Produkt, das eindeutig identifiziert und beschrieben werden kann. Für komplexe Produkte mit einer Vielzahl an Varianten (mass-customization) gehört ein Online-Konfigurator inzwischen zum Standard, v.a. im B2B Bereich, um individuellen Anpassungswünschen schnell und eindeutig entsprechen zu können.

Darüber hinaus kommen in vielen Branchen aber immer mehr Bündelpreise (z.B. Produkt + Service) zur Anwendung, die eine Vergleichbarkeit mit Wettbewerbern erschweren, indem vergleichbare Angebotskomponenten nicht mehr separat bepreist werden.

Für Verbrauchsgüter sind immer häufiger auch Abonnementpreise zu sehen (nicht-lineare Preismodelle), die eine durchschnittliche Nutzung, meist eines Service, aber auch von Produkten) bepreisen und damit Nutzungsrisiken von Käufer auf den Anbieter übertragen. Die Explosion der Sensortechnik zusammen mit der Vernetzung dieser Sensoren mit dem Internet (Internet of Things) eröffnet hier neue Möglichkeiten für Preisobjekte, nämlich die tatsächliche Nutzung oder deren Intensität.

Diese Entwicklungen führen dazu, dass trotz hoher Preistransparenz im Netz die Vergleichbarkeit von Preisen durch Angebotsdifferenzierung immer weiter abnimmt. Ein gutes Beispiel war die Umstellung des Preisobjektes der Swisscom von Datenvolumen auf Datengeschwindigkeit, die von den Wettbewerbern nicht leicht kopiert werden konnte.

Preisposition

Mit einem jederzeit verfügbaren Preis ist automatisch eine Preisposition für definierte Angebote geschaffen, insbesondere bei hoch standardisierten Produkten. Eine Veränderung oder Anpassung dieses Angebotes (v.a. im B2B) ist in der Regel nur über die Selbstidentifikation der/des Kund:in durch Registrierung möglich, wo kundenspezifische Preissysteme zur Anwendung kommen. Premiumpositionen sind nur erreichbar, wenn der wahrgenommene Wert (meist der Marke) diese Position gerechtfertigt erscheinen lässt. Gleichzeitig wird durch den Preis aber auch die Position selbst gestützt, weshalb gerade im Premiumsegment dem Preismanagement im Kanal höchste Bedeutung zukommt.

Die im Punkt Preissubjekt erwähnte, eindeutige Definition der Angebotskomponenten ermöglicht es automatischen Algorithmen, eine Preisposition zu ermitteln und sofort anzuzeigen. Dies kann sowohl für anonyme als auch registrierte Kund:innen praktisch in real-time erfolgen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Abstimmung der Preisposition im eigenen Portfolio zu richten, da hier der Vergleich unmittelbar möglich ist und Inkonsistenzen sich negativ auf das Image auswirken.

Preisdifferenzierung

Die Zahlungsbereitschaft für eine Leistung kann bei unterschiedlichen Zielgruppen für ein und dasselbe Angebot durchaus unterschiedlich sein. Diese hängt u.a. von der Wertwahrnehmung im Vergleich zu den Alternativen, von der Kaufsituation oder den erinnerten Erfahrungen (benchmarks) ab. Um die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft im Markt abschöpfen zu können, werden Preise nach Ort, Zeit Menge, Kanal, bei Serviceangeboten auch nach aktueller Nachfragesituation (dynamic pricing) differenziert.

Voraussetzung für eine Preisdifferenzierung ist allerdings, dass die unterschiedlichen Käufergruppen nicht leicht in die andere Zielgruppe wechseln können. Bei orts- und zeitgebundenen Angeboten ist dies unmöglich, bei Kanaldifferenzierung nur bei entsprechender Kanalbindung sinnvoll. Die Preisunterschiede können die wahrgenommenen Kosten der alternativen Beschaffung (z.B. Such- oder Wegekosten) nicht überschreiten.

Obwohl in manchen Branchen (Mobilität, Hotellerie) klare Logiken der Differenzierung existieren und von Kund:innen auch akzeptiert werden, ist die häufige, und v.a. willkürlich erscheinende, Anpassung von Preisen in der Regel imageschädigend. Ein besonders gutes Beispiel für nachvollziehbare Differenzierung stellt die Ticketpreisbindung an das Körpergewicht bei Samoa Airlines dar! Kindertarife oder Zusatzgebühren für Gurtverlängerungen für Beleibte sind damit passé.

Preiskommunikation

Die digitale Verarbeitung aller Preisinformationen ermöglicht den sofortigen Transfer in digitale Medien. Selbst in fixen Standorten erfreuen sich digital verbundene Preisauszeichnungen immer größerer Beliebtheit (z.B. Media Markt). Für schnell wechselnde Sortimente oder saisonale oder nachfragegesteuerte Produkte sind häufige Preisänderungen (dynamic pricing) essentiell! Business Modelle mit hoch individualisierten Angeboten an bestehende Kund:innen empfehlen sich zutrittsgeschützte, kundenindividuelle Preise ohne generelle Sichtbarkeit.

Preiskommunikation kann darüber hinaus offensiv (als Attraktion) oder defensiv (als quasi letzter Schritt) im Kaufprozess eingesetzt werden und via Nettopreise (typisch für B2B) oder Listenpreisen mit Rabatthöhen (beliebt im Einzelhandel) vermittelt werden. Sie ist jedenfalls immer im Kontext der Markenkommunikation zu sehen und an ihren Zielen zu orientieren. Dabei sollten natürlich die schon länger bekannten Effekte der Wahrnehmungspsychologie bezüglich Preisposition, Ankerpreise u.ä. genutzt werden.

Preisorganisation

Die umfasst alle organisatorischen, system- und datentechnischen Voraussetzungen, die für ein digitales Preismanagement. Dies reicht von einer klaren Definition der Preissubjekte und deren Preispositionen bis zu den Algorithmen der Differenzierung und Darstellung von Preisinformationen sowie den Prozessen zu deren Anpassung.

Während offline das Thema Preis gerne über individuelle Verhaltensweisen von Verkaufspersonal gegenüber Kund:innen verhandelt wird, ist im Online Klarheit, Transparenz und Verbindlichkeit angesagt. Dies stellt besonders hohe Anforderungen an die Qualität der Daten sowie die Gestaltung der Dimensionen, anhand derer Preise geplant, differenziert, angezeigt und verändert werden sollen. Obwohl die digitalen Möglichkeiten der Kombinatorik hohe Flexibilität und real-time Zugriff/Berechnung ermöglicht, ist die Skepsis, durch solche Preiskonzepte Kund:innen abzuschrecken, ja sogar bestehende zu verlieren, noch immer weit verbreitet. Grund dafür ist wohl nicht das höhere Vertrauen in die Preiskompetenzen der Vertriebsverantwortlichen, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass Transparenz und Verlässlichkeit meist hohe Vorinvestitionen in Strukturen und Datenqualität der Auftragsprozesse erfordern.

Übersehen wird dabei oft, dass v.a. Unternehmen mit multiplen Vertriebskanälen den Online-Kanal zum Benchmark der Preisposition für alle weiten Kanäle entwickeln und somit direkten Einfluss auf die Preisgestaltung der anderen Kanäle ausüben können.

Dos and Don´ts

Die digitalen Techniken haben die Möglichkeiten der Preisgestaltung für Unternehmen stark erweitert. Die hohe Transparenz bietet aber auch den Kund:innen bessere Möglichkeiten des Preisvergleichs (v.a. bei Standardprodukten) zwischen versschieden Kanälen und Anbietern. Aus der Sicht des Anbieters sind daher folgende Aspekte entscheidend für ein professionelles Online-Preismanagement:

Transparenz

Wer sich scheut, seine Preise offenzulegen, hat offensichtlich ein Problem mit der Positionierung und Präsentation des eigenen Angebots.

Eine Online-Präsenz erfordert zwingend die (einfache) Verfügbarkeit und Eindeutigkeit von Preisinformationen. Wer den dadurch entstehenden Preiswettbewerb vermeiden möchte, muss zu neuen Mitteln der Preisverschleierung (z.B. Bündelpreise mit komplementären oder ergänzenden Produkten) oder zu persönlicher, zeitlicher oder örtlicher Preisdifferenzierung greifen. Bei digitalen Produkten verhindert der Wechsel der Preiseinheit eine unmittelbare Vergleichbarkeit mit (Billig)Wettbewerbern, wie das Beispiel von Swisscom Mobiltarifen zeigt.

Quelle: Swisscom

Die Verschleierung des regulären Preises gegenüber einem (temporären) Angebot, wie in diesem Beispiel ebenfalls zu sehen, mindert allerdings die Glaubwürdigkeit des Anbieters und gehört zu den manipulativen Praktiken, die zu vermeiden sind.

Den Zugang zur Preisinformation durch künstliche Hürden zu erschweren, führt eher zu Kundenunzufriedenheit und hohen Verlusten bei der Konversion in der Customer Journey. Preisdifferenzierungen sollten begründbar (z.B. Studententicket) oder bestenfalls in der Größenordnung des wahrgenommenen Aufwands für die billigere Alternative oder das Substitut stehen.

Positionierung

Der Preis muss konsistent mit der Markenpositionierung sein. Jede Position schließt eine andere aus, erhöht aber auch die Attraktivität für die gewünschte Zielgruppe. Wer breitere Marktsegmente ansprechen will, sollte sich neue Positionen durch funktionale (Differenzierung durch Eigenschaften), wenn dies zu teuer kommt, durch virtuelle (Produkt Service Bündel, Rent vs. Buy) Variantenbildung des Angebotes überlegen. Dazu eigenen sich digitale Funktionen des Produktes oder Services besonders gut (siehe z.B. Autopilot von Tesla)

Beachten Sie auch, dass der Preis zusammen im Gegensatz zur Wertvorstellung ein wesentlicher und kognitiv schnell verarbeitbarer Teil der Positionierung des Angebotes darstellt. Klarheit und Offenheit sind in einer schnelllebigen Welt der Kommunikation ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Kanalkonflikte

Wer heute auf einen eigenen Online-Kanal wegen befürchteter Kanalkonflikte verzichtet, schätzt die Vorteile falsch ein.

Der eigene Kanal ist das ideale Instrument, seine Preispositionierung eindeutig und klar sowohl an Kund:innen als auch an alle Vertriebskanäle zu kommunizieren. Territoriale Exklusivität kann mittels Kickbacks oder anderen Vergütungsmethoden vertraglich ausgeglichen werden. Preisvergleichsplattformen liefern per Knopfdruck aktuelle Übersichten über die Preisbandbreite meiner Produkte und ermöglicht so faktenbasiertes Kanalmanagement.

Darüber hinaus erhalten Hersteller einen direkten Zugang zu Kundeninformationen, die v.a. für ungefiltertes Kundenfeedback und die Weiterentwicklung von Angeboten von unschätzbarem Wert ist.

Kommunikation

Für geringwertige Konsumgüter gilt, dass die Einfachheit und schnelle Verfügbarkeit von Preisinformationen im digitalen Raum meist keine allzu komplexen Preismechanismen zulassen. Entscheidend ist die Klarheit und Eindeutigkeit der Produkt- und Preisauszeichnung.

Bei hochwertigen Gütern und hoch individualisierten Angeboten (v.a. im B2B) sind Zutrittsgrenzen zu individualisierten Preisen sinnvoll und auch akzeptiert. Der beste Preis in diesen Segmenten ist allerdings ein über alle (eigenen) Kanäle konsistenter Preis.

Konfiguratoren sind für die individualisierte Angebots- und Preisstellung heute ein unverzichtbarer Bestandteil des digitalen Verkaufens, insbesondere bei hoch individualisierbaren Angeboten. Allerdings gilt auch hier die Grundregel: beschränken sie sich auf wenige, wichtige Variantendimensionen und -wahlmöglichkeiten, damit die Kombinationsmöglichkeiten nicht zu unübersichtlich werden. Ein gutes Beispiel stellt hier das Model 3 von Tesla dar, der mit nur sechs Auswahldimensionen (Motorisierung, Lackfarbe, Felgen, Interieurpaket, Anhängerkupplung, Autopilot) insgesamt nur 240 Varianten ermöglicht und damit gezeigt hat, dass man Autos auch online eindeutig bepreisen und verkaufen kann!

Dynamische Preismodelle sind wegen ihres hohen Wertpotentials zwar bei Firmen zunehmend beliebter, stoßen bei Kund:innen allerdings dann auf Ablehnung, wenn entweder die Bandbreite zu hoch oder die Begründungen zu oberflächlich erscheinen. So musste selbst Amazon seine Praktiken der Preisdifferenzierung nach Kundenprotesten und Shitstorms zurücknehmen.

Implementierung

Der digitale Preis ist ein real-time erzeugter Wert für eine einzigartige Kombination aus Angebotselementen und Kundenspezifika. In beiden Dimensionen müssen klare und eindeutige Strukturen geschaffen und datenmäßig abgebildet werden, bevor ein digitales Preismodell überhaupt erstellt werden kann.

Preismodelle sollten auch im digitalen Raum auf eine überschaubare und sinnvolle Anzahl an Dimensionen (Eigenschaften des Angebotes) begrenzt werden, um die Belastung der Systeme, v.a. aber im B2B die Begründung von Preisvorschlägen des Systems noch verstehen und erklären zu können.

Solche Preissysteme sind oft für mehrdimensionale, interne Vertriebsorganisationen ein enormer Vorteil (z.B. Key Account), trotzdem werden sie oft als Einschränkung wahrgenommen und daher boykottiert. In Wahrheit sind sie wertvolle Instrumente, um die interne Preisfindung über mehrere Ansprechstellen transparent und konsistent zu halten und die Energie des Vertriebs von der Preis- auf die (Mehr)Wertdiskussion umzulenken.

Weiterführende Literatur

  • Weber, Felix. Preispolitik Im Digitalen Zeitalter: Auswirkungen Von Digitalisierung Und Künstlicher Intelligenz. 1st 2020 ed. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2020. doi:10.1007/978-3-658-30646-5.
  • Simon, Hermann and Martin Fassnacht. Preismanagement: Strategie – Analyse – Entscheidung – Umsetzung. 4th 2016. ed. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2016.
  • Reinecke, Sven. „Preismanagement.“ Marketing Review St. Gallen 26, no. 5 (2009): 1-1.
  • Kalka, Regine and Andreas Krämer ist. Preiskommunikation: Strategische Herausforderungen Und Innovative Anwendungsfelder, edited by Kalka, Regine, Regine Kalka, Andreas Krämer ist and Andreas Krämer. 1st 2020. ed. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2020. doi:10.1007/978-3-658-28028-4.
  • Vogelsang, Mila. Designing Smart Prices: Kundenwahrnehmung Von Dynamic Und Personalized Pricing. 1st 2020. ed. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2020. doi:10.1007/978-3-658-31380-7.
  • Simon, Hermann, Robert J. Dolan, and Jürgen Ulrich Lorenz. Profit Durch Power Pricing: Strategien Aktiver Preispolitik. Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 1997.

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