Social Commerce und Social Selling
Big Business
In nur zwölf Stunden haben die chinesischen Live-Streamer Li Jiaqi and Viya einen Rekordumsatz erzielt: Im Vorfeld des in China beliebten Shopping-Events Singles’ Day verkauften sie Anfang November per Video Produkte im Wert von umgerechnet drei Milliarden Dollar. Das ist in etwa das Dreifache von dem, was der eCommerce-Riese Amazon im Schnitt an einem ganzen Tag umsetzt (Quelle: Handelsblatt vom 7. Jänner 2022).
Schlagzeilen wie diese zeigen beeindruckend das Potenzial und die Möglichkeiten von Social Media und eCommerce, aber vor allem die Rolle von Influencern und deren Bedeutung für den Onlinehandel.
Alltagsfrequenz schlägt Sortiments-Frequenz
Die Reichweite und die Nutzung von Social Media ist beeindruckend. Laut einer Studie von Hootsuite und We are Social ist rund 87 % der deutschen Gesamtbevölkerung auf Social Media vertreten. Die Benutzer:innen verbringen täglich im Schnitt 1 Stunde und 29 Minuten auf den Social-Media-Plattformen und zeigen, dass Social Media mobil und alltagsrelevant ist (Quelle: https://trends.hootsuite.com/resources/digital-trends).
Das ist auch der große Unterschied zum eCommerce, denn auch, wenn eCommerce zunehmend über mobile Geräte (Smartphone) stattfindet, so befindet sich unter den Top 10 Apps (nach Downloads) im Jahr 2020 keine einzige eCommerce-Anwendung – das Ranking wird fast ausnahmslos von Social Media Anwendungen dominiert (Quelle: apptopia.com)
Daraus lassen sich folgende Rückschlüsse für die Praxis ziehen:
- Der Online-Kauf ist keine Alltagsroutine
- Das ganzheitliche Einkaufserlebnis wird zum bestimmenden Faktor
- Social Media spielt in unterschiedliche Phasen des Online-Kaufs eine Rolle, insbesondere in der Kaufvorbereitung
- Das Potenzial von Mobile-Commerce ist bei jüngeren Zielgruppen hoch
Zwei wesentlichen Charakteristika von Social Media
Um das Thema Social Commerce ganzheitlich zu verstehen und daraus erfolgreiche Strategien abzuleiten, bedarf es einem tiefgreifenden Verständnis der Funktionsweise von Social Media. Dabei sind zwei wesentliche Aspekte besonders hervorzuheben:
- Der Netzwerkcharakter von Social Media zeigt, dass durch die Verbundenheit der User:innen (z.B. Follower) und der Dinge (z.B. Produkte) komplexe Verbindungen entstehen, die eine einfache, kausale Ursache-Wirkung-Beziehung nur mehr schwer kontrollierbar machen. Einfach gesagt bedeutet das, dass man muss ums Eck denken muss, um seine Ziele erreichen zu können. Der Komplexität selbst lässt sich schwer Herr werden, es stehen aber zahlreiche Tools zur Verfügung, um in der Social Media Umgebung Marketing und eCommerce zu betreiben. Der Erfolg von Influencern oder Viral-Marketing basiert großteils auf diesen Eigenschaften von Netzwerken.
- Die medialen Besitzverhältnisse: Während sich traditionelle Marketinginstrumente und Kanäle im Besitz eines Unternehmens befinden (eigene Website oder Onlineshop) oder gegen Geld benutzt werden können (Online-Werbung), zählen Social Media zu den sogenannten „verdienten“ Medien. Reichweite, Engagement oder Reputation können nicht direkt gekauft werden, sondern sollten durch organische Maßnahmen wie z.B. Content, Influencern, Bewertungen usw. verdient werden. So lassen sich professionelle Influencern nur bedingt vom Unternehmen beeinflussen und berichten objektiv über Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens. Ein positives Feedback oder eine Verbreitung über die eigenen Kanäle muss sich das Unternehmen verdienen. Dieses Grundverständnis ist wesentlich für den erfolgreichen Einsatz von Social Commerce.
Was sind Influencer?
- Personen, die die Macht haben, Kaufentscheidungen anderer aufgrund ihrer Autorität, ihres Wissens, ihrer Position oder ihrer Beziehung zu ihrem Publikum zu beeinflussen.
- Personen, die in einer bestimmten Nische eine Fangemeinde haben, mit der sie sich aktiv auseinandersetzen. Die Größe des Publikums hängt von der Größe der Nische ab.
- Immer mehr Menschen werden misstrauisch gegenüber Werbung und kaufen daher Produkte, die sie bei einem ihrer Lieblings-Influencern online gesehen haben.
- Als Konsument:in oder Fan hat man das Gefühl, die Person, der man folgt zu „kennen“. Es ist, als würde dir ein(e) gute/-r Freund:in ein Produkt empfehlen.
- Influencer müssen natürlich zum Unternehmen und zum Produkt passen.
Möglichkeiten, die Kaufentscheidung je nach Branche zu beeinflussen (Beispiele):
Branchenexpert:innen und Tought Leader im B2B
Blogger:innen und Content Creators oder Micro-Influencer im B2C

Social Commerce Plattformen
Die großen Online Social Networks (OSN) wie Meta oder TikTok bieten zahlreiche Möglichkeiten Produkte zu bewerben und letztendlich auch zu verkaufen. Diese Verkaufsfunktion wie z.B. auf Instagram ist noch nicht in allen Ländern verfügbar, wird aber immer mehr zum fixen Bestandteil der Plattformen.
Beispiel TikTok und Shopify
Instagram Shopping ist mittlerweile über Feed Posts, Stories, Live-Videos und IGTV möglich. Die Funktion soll auch noch bei den neuen Instagram Reels eingeführt werden.

Best Practise Instagram - Rebecca Minkoff | @rebeccaminkoff
- Rebecca Minkoff-Modegeschäft in Los Angeles
- Jedes Foto auf Social Media ist mit einem Sale-Tag versehen
- Fotos der Artikel sind oftmals in der Öffentlichkeit inszeniert – zeigt den Nutzern, wie die Produkte im Alltag aussehen

Was bringt die Zukunft?
Vom Metaverse bis zur KI, zahlreiche Technologien bieten neue Möglichkeiten für Social Selling und Social Commerce. Folgende Technologien und Themen lohnt es sich mittelfristig genauer zu betrachten:
Conversional Commerce
Conversional Commerce is ein wesentliches Element im Social Commerce, denn seit 2021 sind Chatbots über Messaging-Apps alltäglich geworden, Social-Media-Plattformen ermöglichen reaktionsschnelle Chat-Funktionen und Unterhaltungen in Echtzeit und können so während der Customer Journey zielgerichtet eingesetzt werden.
Durch die Nachfrage der Verbraucher:innen nach schnellen Antworten, ist Conversational Commerce über Messaging-Apps eine Notwendigkeit im Onlinehandel.
Live Commerce
Unter Live-Commerce versteht man den Verkauf von Produkten per Live-Video, während die Kund:innen in Echtzeit mit der Marke interagieren. Die Kund:innen können von zu Hause aus zusehen, sich austauschen und einkaufen. Auch hier spielen die Social Commerce Plattformen und Online Social Networks eine zentrale Rolle. Vorreiter im Live-Commerce ist China.
Derzeit ist Twitch dem Social Commerce am nächsten, wenn es um Live-Shopping-Momente wie Twitch Sells Out geht – zwei 12-Stunden-Streams im QVC-Stil während des Amazon Prime Day. Beliebte Twitch-Streamer stellen Spiele und Angebote vor, die online gekauft werden können.

Quelle: https://www.polygon.com/
Zum Schluss die wichtigsten Dos (and Don'ts):
Stichwort: Alltagsfrequenz schlägt Sortiments-Frequenz
Themen wählen, welche via Social Media organische bearbeitet werden können, um mit potenziellen Kund:innen regelmäßig in Kontakt zu bleiben.
Eine langfristige Strategie entwickeln und echten Mehrwert z.B. über einen Blog liefern.
Stichwort: Katalogverkäufe
Die richtigen Technologien auswählen, um Produkte aus einem Onlineshop auch auf den Social-Media-Plattformen anbieten zu können.
Stichwort: Daten
Langfristig einen direkten Kontakt zu Kund:innen aufbauen, personenbezogene Daten direkt erfassen und eine CRM-Strategie entwickeln.
Stichwort: Vernetzung
Angebote und Inhalte auch indirekt an potenzielle Kund:innen ausspielen.
Stichwort: Abhängigkeit
Auf mehrere Influencer setzen, um Abhängigkeiten zu vermeiden.
Weiterführende Literatur
- Zhang, Y., Trusov, M., Stephen, A. T., & Jamal, Z. (2017). Online Shopping and Social Media: Friends or Foes? Journal of Marketing, 81(6), 24–41. https://doi.org/10.1509/jm.14.0344
-
Antonia Erz, Ben Marder, Elena Osadchaya. (2018). Hashtags: Motivational drivers, their use, and differences between influencers and followers, Computers in Human Behavior, Volume 89, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0747563218303522?via%3Dihub
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