Usability-, Interface- und Informationsdesign
Das Design von Informations- und Benutzer:innenschnittstellen (User Interfaces) ist Teil eines multidisziplinäres Forschungsfeldes, das darauf abzielt, die Kommunikation zwischen uns Menschen und verschiedenen Technologien zu optimieren. Dabei wird zwischen physischen, wahrnehmungsbezogenen und konzeptionellen Interaktionen zwischen Mensch und Technologie unterschieden. Entsprechendes Interaktionsdesign bedeutet demnach, technische/digitale Produkte aus einer Benutzer:innenperspektive zu betrachten und die individuellen Bedürfnisse der Zielgruppe in die Entwicklung und das Design bestmöglich einfließen zu lassen.
Menschen interagieren mit 5 Sinnen
Der Mensch verwendet seine/ihre 5 kognitiven Sinne (sehen, hören, fühlen, riechen und schmecken) zur Interaktion mit der Welt. Die Interaktion mit digitalen Produkten stützt sich hierbei primär auf drei dieser Sinne; und zwar das Sehen (z.B., das Wahrnehmen von Informationen auf einem Bildschirm), das Hören (z.B., das Wahrnehmen von Nachrichtentöne) und das Fühlen (z.B., die Eingabe am Touch-Screen).
Die visuelle Wahrnehmung wird von der Biologie des Auges, sowie von aktiven wie passiven kognitiven Prozessen gesteuert. Hier können die sogenannten „Gestaltprinzipien“ dabei helfen die Organisation von Informationen auf einem Bildschirm so zu optimieren, dass die kognitive Belastung bei der Wahrnehmung und Einordnung dieser Information durch Menschen verringert wird. Beispielsweise kann durch das visuelle Gruppieren von zusammengehörenden Informationsobjekten die entsprechende Assoziationsfindung für Menschen übernommen werden.
Die akustische Wahrnehmung ist hingegen gut geeignet, um Aufmerksamkeit zu erregen. So können Töne sowohl dabei helfen Fehlverhalten aufzuzeigen (z.B., der Hinweis auf eine Falscheingabe) aber auch dazu beitragen Menschen über wichtige Geschehnisse zu Informieren (z.B., dass eine Zahlung erfolgt ist). In vielerlei Hinsicht sind akustische Signale auch länder-, sprach- und kulturübergreifend anwendbar (z.B., der Ton beim Entleeren des Windows Mülleimers).
Schließlich trägt die haptische Wahrnehmung dazu bei Produktcharakteristiken ganzheitlich zu erleben. So ist das Vibrationsfeedback bei der Touchscreen-Eingabe genauso hilfreich wie die Auswölbungen auf den Buchstaben J und F, die bei einer deutschen Computertastatur die richtige Fingerpositionieren bei der Texteingabe unterstützten.
Letztlich sei noch erwähnt, dass die beiden verbleibenden Sinne, d.h. das Riechen und das Schmecken, derzeit zwar noch relativ wenig Bedeutung für das Interface- und Informationsdesign haben, deren Möglichkeiten jedoch in Forschungslaboren auf der ganzen Welt bereits beforscht werden. So sind die duftende Textnachricht oder auch der salzig schmeckende Touchscreen zwar noch nicht marktreif, jedoch wird deren möglicher Einfluss auf die Mensch-Technologie-Interaktion bereits umfassend evaluiert.

Die Aufmerksamkeit als Schlüssel zur Informationsverarbeitung
Neben den fünf menschlichen Sinnen ist es primär der kognitive Prozess der Aufmerksamkeit der die menschliche Informationsverarbeitung prägt. Es ist wichtig zu verstehen, dass Aufmerksamkeit stark begrenzt und mit dem (Kurzzeit-)Gedächtnis sowie Kopf- und Augenbewegung verbunden ist. Durch das wiederholte Üben von Tätigkeiten kann die dafür benötigte Aufmerksamkeit jedoch reduziert werden, was es im besten Fall ermöglicht frei gewordene Aufmerksamkeits-Ressourcen für andere Tätigkeiten zu verwenden. So liegt beispielsweise beim Erlernen des Autofahrens anfangs die volle Aufmerksamkeit auf dem richtige Schalten, Kuppeln, Bremsen und Gas geben. Durch entsprechende Übung werden diese Tätigkeiten jedoch weitgehend automatisiert weshalb es uns dann auch leichter fällt dem Radio oder Gesprächen mit Beifahrer:innen zu folgen.

Hinweise helfen bereits erlernte Interaktionsmuster wiederzufinden
Beim Üben oder Lernen werden Informationen und Bewegungsabläufe vom menschlichen Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis übertragen. Diese Übertragung unterliegt einem entsprechenden Kodierprozess welcher es leider auch bedingt, dass das Wiederaufrufen von Informationen entsprechend schwerfallen kann. Man kann daher sagen, dass sowohl das Lernen wie auch das sich an etwas Erlerntes zu erinnern kognitiv anstrengend sind. Ein Teil des Erinnerns betrifft dabei das Finden der benötigten Information. Hier können gut positionierte, kontextuelle Hinweise jedoch Abhilfe und so etwas wie eine Abkürzung zu der im Langzeitgedächtnis gespeicherten Information schaffen. Der Erinnerungsprozess wird sozusagen von einem Such- und Abrufprozess in einen Wiedererkennungsprozess umgewandelt. Dieses Wiedererkennen wird auch dazu verwendet bestehendes Wissen auf andere Einsatzzwecke zu übertragen. Wenn ich Autofahren kann, kann ich wohl auch grundsätzlich einen Traktor in Betrieb nehmen auch wenn hier eventuell mehr Hebel und Knöpfe vorhanden oder diese an einer anderen Stelle im Fahrzeug zu finden sind. Oder, um beim Thema eCommerce zu bleiben, wenn ich weiß wie ich Produkte bei Amazon kaufe, dann schaffe ich das auch in anderen Internet-Shops, vorausgesetzt diese verwenden die gleichen oder zumindest ähnliche Prozessabläufe.

Transferwissen als Grundlage für den täglichen Umgang mit digitalen Produkten
Dieses Übertragen von bestehendem Wissen ist auch von großer Bedeutung für die tagtägliche Interaktion mit digitalen Produkten. Produktanbieter müssen erkennen, dass Benutzer:innen (bzw. im Fall von eCommerce Kund:innen) nicht bereit sind für jedes neue Produkt neue Interaktionsmuster zu lernen. Vielmehr werden stark vereinfachte Annahmen über die Funktionsweise eines Systems, sogenannte Mentale Modelle, als Grundlage für die Verwendung aber auch eine mögliche Fehlersuche angewandt. Dieser ungeübte Interaktionserfolg oder -misserfolg ist dann vielfach auch eine direkte Maßzahl für die wahrgenommene Bedienbarkeit (d.h. die Usability) eines digitalen Produktes. Usability-Analysen können aber dabei helfen entsprechend negativen Benutzer:innenerfahrungen vorzubeugen indem Interaktionsdesigns im Vorfeld mit Vertreter:innen der Zielgruppe getestet werden.

Usability Tests um negativen Benutzer:innenerfahrungen vorzubeugen
Die Methoden zur Bewertung der Benutzerfreundlichkeit, der sogenannten Usability, von Produkten lassen sich zum einen in Methoden unterteilen, welche echte Benutzer:innen miteinbeziehen, und solche die sich auf das Wissen von Expert:innen stützen. Expert:innenbewertungen sind hierbei weniger kostspielig als Benutzer:innentests und werden oft in einem frühen Stadium unter Zuhilfenahme von Usability-Richtlinien (sogenannter Heuristiken) eingesetzt. Ein formaler Usability-Test bedingt hingegen die Einbindung echter Benutzer:innen, wobei abhängig davon ob es darum geht Probleme mit einem Produkt zu finden (hier genügen meist wenige Benutzer:innen), oder darum ein Produkt mit einem anderen Produkt zu vergleichen (hier benötigt man mehrere Benutzer:innen um eine statistisch valide Aussagekraft zu erzielen), die notwendige Anzahl an Benutzer:innen stark variieren kann. Nur eines ist klar, die Usability nicht zu testen heißt auch keine Information darüber zu haben, ob ein Produkt als intuitiv bzw. gut bedienbar wahrgenommen wird.

Einige wichtige Grundlagen
- Mehr Rechenleistung führt nicht zwingend zu einer schnelleren oder besseren Interaktion.
- Neue Aufgaben und Technologien führen oft zu neuen Systemen und Interaktionsformen.
- Der Mensch nimmt ständig wahr, aber wir achten nicht auf alles, was wir wahrnehmen, denn das würde zu einer ständigen Informationsüberlastung führen.
- Das menschliche Kurzzeitgedächtnis und die damit verbundenen Aufmerksamkeitspanne ist begrenzt.
- Menschen ziehen das Wiedererkennen dem Erinnern vor.
- Menschen sträuben sich gegen das Erlernen neuer Interaktionsmuster. Vielmehr wenden sie Wissen an, das sie sich bereits durch die Interaktion mit anderen vergleichbaren Produkten erlernt haben.
- Die Bedienbarkeit (Usability) von Produkten ist stark an die Wahrnehmung über die menschlichen fünf Sinne sowie die entsprechende Informationsverarbeitung über höhere kognitive Prozesse wie beispielsweise die Aufmerksamkeit gekoppelt.
- Das Einhalten von Usability Richtlinien (sog. Heuristiken) hilft Produkte von Beginn an mensch-zentriert zu gestalten. Dezidierte Usability Tests helfen hingegen Interaktionsprobleme, welche bei einer konkreten Zielgruppe auftreten können, frühzeitig zu erkennen.
Dos and Don'ts
- Ein Verständnis der Zielgruppe ist wichtig um die Bedienung von digitalen Produkte hinsichtlich der entsprechenden Benutzer*innen anzupassen. Personas helfen dabei entsprechende Kerncharakteristiken einer Zielgruppe zu definieren.
- Das Feedback von Benutzer*innen ist der beste Maßstab für die wahrgenommenen Usability aber auch für die Nützlichkeit eines digitalen Produktes. Der Fokus sollte immer darauf liegen was Benutzer*innen wollen und brauchen und nicht darauf was Technologie kann.
- Beim Interaktionsdesign ist es wichtig die Aufmerksamkeit von Benutzer:innen zu kanalisieren und aufrecht zu erhalten. Leitsystemen, wie beispielsweise „Process Bars“ oder „Bread Crumbs“ helfen dies sicherzustellen.
- Blinkende und aufdringliche Werbung wird von Benutzer*innen zwar meist sofort wahrgenommen, jedoch auch als störend empfunden. Weiters führt sie zu einem Aufmerksamkeitsverlust, weshalb sie während wichtigen Prozessschritten unterlassen werden sollte.
Weiterführende Links und Literatur
- Die Website der Nielsen/Norman Group zum Thema Usability und User Experience: https://www.nngroup.com/
- Die Website des United States Government zur Gestaltung von Digitalen Services: https://digital.gov/
- Die Guidelines der Britischen User Experience Beratungsfirma UserFocus: https://www.userfocus.co.uk/resources/guidelines.html
- Steve, K. (2000). Don’t make me think!: Web Usability: Das intuitive Web. MITP-Verlags GmbH & Co. KG.
- Nielsen, J., & Budiu, R. (2013). Mobile usability. MITP-Verlags GmbH & Co. KG.
- Nielsen, J., & Loranger, H. (2008). Web Usability: Deutsche Ausgabe. Pearson Deutschland GmbH.
- Nielsen, J., & Molich, R. (1990, March). Heuristic evaluation of user interfaces. In Proceedings of the SIGCHI conference on Human factors in computing systems (pp. 249-256).
- Barnum, C. M. (2020). Usability testing essentials: ready, set… test!. Morgan Kaufmann.
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