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Damit Organisationen erfolgreich sind, sollten Entscheidungsträger:innen die Kund:innen, Mitarbeiter:innen, aber auch sich selber besser zu verstehen. Tatsächlich beobachtet man dabei aber häufig eine zu positive Selbsteinschätzung, bei der psychologische Mechanismen und kognitive Verzerrungen keine besonders große Rolle spielen.

Warum ist das so?

Wie kann man Verhalten besser verstehen?

Kognitive Verzerrungen

Die Verhaltenswissenschaften zeigen nicht nur auf, wie wir zu Entscheidungen kommen und wie wir uns verhalten, sondern auch welche systematischen kognitive Verzerrungen wir haben. Dabei ist das Wort „systematisch“ wichtig, denn wir können diese nicht so einfach ablegen. So kommt es beispielsweise deutlich häufiger vor, dass wir unsere Fähigkeiten überschätzen als dass wir sie unterschätzen. In diesem Sinn sind diese Verzerrungen ein wenig wie die bekannten Bilder optischer Täuschungen: wir können sie verstehen, aber wir hören damit nicht auf die Täuschungen zu sehen.

Ähnlich wie im Falle der optischen Täuschungen können wir jedoch lernen mit unseren Verzerrungen umzugehen und sie frühzeitig zu erkennen. Das ist insofern besonders wichtig, als zahlreiche Studien zeigen, dass auch erfahrene Profis diese systematischen kognitiven Verzerrungen aufweisen. Beispielsweise tendieren Finanzprofis ebenfalls dazu übermäßig stark in bekannte Wertpapiere und solche heimischer Firmen zu investieren – aus Diversifikations-Sicht ein nachteiliges Verhalten, das man „Home Bias“ nennt.

Warum sollte es also wichtig sein, diese kognitiven Verzerrungen zu kennen? Wir verstehen Verhalten von uns und anderen besser und können so auch Mechanismen einsetzen, die helfen die negativen Konsequenzen bestimmter Verhaltensmuster zu vermeiden. In den letzten Jahren sind viele Formen von Entscheidungshilfen („Decision Support“) entwickelt und in Unternehmen umgesetzt worden – insbesondere mithilfe von IT-Systemen. So helfen beispielsweise digitalisierte Systeme bei Bestellentscheidungen in Lieferketten, um den Einfluss von Unsicherheits-Aversion auf menschliche Entscheidungen oder Überreaktion auf einzelne Informationen zu reduzieren. Zudem kann uns ein Verständnis kognitiver Verzerrungen bei wichtigen Entscheidungen helfen. Wir können systematisch zu prüfen, ob bestimmte Verzerrungen die Entscheidung leiten oder beeinflussen können. Mit anderen Worten, in Situationen mit substantiellen Konsequenzen kann eine Liste an kognitiven Verzerrungen schlimmeres verhindern.

Zwei Beispiele sollen der Veranschaulichung kognitiver Verzerrungen dienen:

Sunk Cost Fallacy

Diese Verhaltenstendenz zeigt sehr eindrücklich auf, wie relevant das Thema für wirtschaftlichen Entscheidungen sein kann. Ein Beispiel hierfür ist der Bau der Concorde, dessen Konstruktion bereits 1956 von französischer und britischer Seite geplant wurde. Lange vor Abschluss wurde jedoch klar, dass die Kosten den Nutzen bei weitem übersteigen werden. Dennoch wurde das Projekt weitergeführt: Es wurde bereits so viel an Geld und Zeit in dieses Prestigeprojekt investiert, dass man es nicht einfach auslaufen lassen wollte. Am Ende lief das Projekt Concorde, dessen geschätzte Kosten sich über die Zeit fast verzehnfachte, weniger als 30 Jahre.

Das Beispiel der Concorde ist ein Extrembeispiel was die Kosten betrifft, aber nicht, was die Denkweise dahinter betrifft: häufig trifft man auf das Argument, dass bereits so viel Zeit und Geld investiert wurde, dass man jetzt doch nicht aufhören könne. Ein solches Argument ist jedoch irrational: vergangene Kosten sind „versunken“ und können nicht mehr geändert werden (für den Fall natürlich, dass es keine bestehenden Verträge gibt). Wir sollten sie daher nicht für zukünftige Entscheidungen berücksichtigen.

Unsere Emotionen beeinflussen unsere Entscheidungen: Wenn wir bereits in eine Entscheidung Geld, Zeit und Mühen investiert haben, fällt es uns schwer loszulassen. Wir fühlen uns schuldig oder bereuen es, wenn wir die Entscheidung nicht durchziehen. Wir haben das Gefühl einen Verlust zu machen und Menschen sind typischerweise verlustavers, d.h. gefühlte Verluste wiegen schwer. Wenn wir jedoch weitermachen, investieren wir noch weitere Kosten und die „versunkenen“ Kosten der Vergangenheit können damit auch nicht mehr gerettet werden. In diesem Fall ist ein Fortsetzen ökonomisch nutzlos. Beispiele dafür sind die Erschließung eines neuen Markts oder die Einführung eines neuen Produkts, wenn sich die Situation in der Zwischenzeit geändert hat und der Markt bereits geschlossen oder das Produkt nicht mehr rentabel ist.

Angesichts solcher Beispiele zeigt sich, dass es sinnvoll ist, die bestehenden Kosten laufender Projekte immer wieder aus der Sicht der „Sunk Cost Fallacy“ zu betrachten und sich zu überlegen, ob es sinnvoll ist, diese Projekte weiterzuführen. Manchmal ist ein harter Schnitt die ökonomisch sinnvollere Alternative.

Overconfidence

Als zweites Beispiel dient Overconfidence. Diese kognitive Verzerrung ist eine besonders unangenehme, weil sie uns unsere Eitelkeit vorführt: zahlreiche Studien zeigen auf, dass wir uns selbst systematisch überschätzen – und das teilweise massiv. Das betrifft einerseits die Selbsteinschätzung unseres Wissens (z.B. was die Präzision unserer Schätzung erwarteter Umsätze oder Aktienkurse betrifft) und andererseits unsere Fähigkeit (z.B. schätzt sich der Großteil der Bevölkerung als überdurchschnittlich gute Autofahrer ein). In bestimmten Fällen ist es sogar so, dass Expert:innen häufig noch stärkeres Overconfidence zeigen als Laien.

Selbstüberschätzung muss nicht immer negativ sein – sonst hätten wir z.B. angesichts der realistischen Erfolgschancen wohl kaum Start-Ups. Aber Overconfidence kann auch negative Konsequenzen haben und insbesondere zu Fehlentscheidungen und Konflikten führen. Beispiele, die auf diese kognitive Verzerrung zurückzuführen sind, sind etwa zu häufiges Handeln am Finanzmarkt, Fehlbesetzung von offenen Stellen, Konflikte in Gruppenentscheidungen, etc.

Was kann man also tun? Auf individueller Ebene sollte die eigene Entscheidung immer auch hinterfragt werden. Während das Verständnis anderer Sichtweisen und Alternativen bis zum gewissen Grad erlernbar ist, hat dieser Zugang aber auch seine Grenzen: man müsste quasi die eigene kognitive Verzerrung ablegen um die eigene Overconfidence kritisch zu betrachten. Ein schwieriges Unterfangen. Daher ist die Unternehmensebene besonders wichtig: ein offener Umgang mit Konflikten, Teamentscheidungen, wenn möglich flacher Hierarchie oder offene Kommunikation können ein Umfeld schaffen, bei dem Overconfidence weniger durchschlagen kann. Insbesondere sollte man im Unternehmen darauf achten, dass Sicherheitsmechanismen nicht unterschätzt werden. Das zeigt sich etwa daran, dass bei großen Katastrophen – wie z.B. im Falle der Titanic oder von Tschernobyl – klassische Züge von Overconfidence eine wesentliche Rolle gespielt haben.

Dos und Don‘ts

  • Verständnis: Ein erster – vielzitierter – Schritt ist die Erkenntnis. Nur wenn man sich bewusst ist, dass es bestimmte kognitiven Verzerrungen gibt, kann man ihnen auch entgegentreten oder entsprechende Kontrollmechanismen und Unterstützungen einführen. Und nur wer im Unternehmen auch Verständnis dafür hat, welches Verhalten zu nachteiligen Entscheidungen und Sicherheitslücken (Stichwort „Cybersecurity“) führen kann, kann auch etwas dagegen unternehmen. Daher hilft es, ein grundlegendes Verständnis menschlichen Verhaltens zu haben. Ein positiver Nebeneffekt: man versteht auch das Verhalten der Mitarbeiter:innen und Kolleg:innen besser.
  • Entscheidungshilfen: Die kognitiven Verzerrungen sind tief in uns Menschen verankert. Unser Denken hat biologische Grundlagen und hat sich über Jahrmillionen evolutionär geformt. Die Grundlagen unseres Denkens und Entscheidens können daher nicht so leicht abgelegt werden. Wichtig ist deshalb eine offene Unternehmenskultur, in der nachteilige Denkmuster berücksichtigt werden. Überlegen Sie, welche Unterstützungen (z.B. Decision Support) und welche Kontrollmechanismen helfen können, die Mitarbeiter:innen in Ihrem Unternehmen zu unterstützen und Entscheidungen zu verbessern.
  • Selbstbewusstsein: Seien Sie sich Ihrer eigenen Denk- und Handlungsmuster bewusst (andere sind auch nicht besser!). Es hilft, in wichtigen Entscheidungen mit großer Tragweite relevante kognitive Verzerrungen und Verhaltensweisen in Gedanken durchzugehen und selbstkritisch zu reflektieren, ob diese eine Rolle spielen könnten. Bei weniger wichtigen Entscheidungen können sie durchaus auch vernachlässigt werden, da sonst kein effizientes Wirtschaften möglich wäre (Dobelli, 2018).
  • Selbstkritik: Seien Sie selbstkritisch. Auch mit viel Training und jahrelanger Erfahrung ist niemand davor gefeit, in die Fallen typischer Denk- und Verhaltensmuster zu tappen. Es gibt ausreichend Belege dafür, dass auch erfahrene Profis aus unterschiedlichen Bereichen in typische Denkmuster verfallen. Ein wenig Bescheidenheit kann helfen ein:e gute:r Entscheidungsträger:in zu sein.
  • Kommunikation und Kritik: Es ist zwar keine Garantie, dass eine Gruppe nicht gemeinsam in die falsche Richtung denk oder sich sogar gegenseitig in Irrmeinungen bestätigt – aber eine offene Kultur der Kommunikation und der respektvollen Kritik kann helfen, die eigenen Irrtümer zu sehen und eventuell zu korrigieren. Eine solche offene Kommunikation kann insbesondere auch in eher hierarchisch aufgebauten Unternehmen helfen.
  • Zeit nehmen: Auch wenn es nicht immer möglich oder leicht ist, hilft es typischerweise sich für Entscheidungen Zeit zu nehmen und diese nochmals zu überdenken. Die psychologische Forschung zeigt, dass wir typischerweise bei schnellen und unbedachten Entscheidungen assoziativ und emotional entscheiden, was kognitive Verzerrungen und resultierende Fehlentscheidungen begünstigt. Gerade bei wichtigen Entscheidungen ist es daher wichtig, sich die Zeit zu nehmen und diese nochmals zu überdenken.

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Kursunterlagen - Entscheidungsverhalten online prüfen und verstehen - Teil 1
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